«Das Jugend-OK»

Jugend-OK

St. Moritz organisiert 2017 bereits die fünfte Ski-WM. Damit es nicht dabei bleibt, investiert der Ort in die Zukunft: Ein Jugend-OK, das in seiner Struktur exakt dem eigentlichen OK nachgebildet ist, sammelt Erfahrungen und setzt eigenständig Projekte um. Wir haben drei Jugend-OK-Mitglieder in St. Moritz getroffen.

Danke, dass ihr gekommen seid. Ihr seid alle von Anfang an im Jugend-OK tätig. Welche Funktionen habt ihr?


Tanja: Operative Leitung des Jugend-OKs. „Tätschmeister“, sozusagen. (lacht)

Flurin: Ich bin für PR/Medien zuständig.

Kevin: Ich kümmere mich um die Logistik.

 

Jugendliche liegen doch gerne auf der faulen Haut. Was hat euch dazu bewegt, im OK mitzuarbeiten?
Tanja: Ich war schon immer eine, die gerne mithilft. Mir gefällt die Idee, dass junge Leute aktiv einen Beitrag für die Ski-WM 2017 in St. Moritz leisten können. 

Flurin: Ich finde es wichtig, dass man bei solchen Aktionen mitmacht und die Zukunft mitgestaltet. Ich habe Kollegen, die bemängeln, was alles nicht gut sei. Sie selber ändern aber nichts an der jetzigen Situation. Da sind sie meiner Meinung nach ein bisschen selber schuld. Ich bin überzeugt, das Jugend-OK ist eine gute Erfahrung für meine spätere berufliche Laufbahn.

Kevin:  Ich bin per Zufall auf das Jugend-OK aufmerksam geworden. Solche Chancen muss man nutzen – deshalb bin ich hier.

 

Wie seid ihr überhaupt zu euren Jobs gekommen?
Tanja: Wir haben uns wie auf eine normale Stelle beworben. Und im Motivationsschreiben geschildert, welches Ressort in Frage kommt. Beim Kick-Off-Meeting haben sich alle Interessenten das erste Mal getroffen. Dann galt es, sich in die verschiedenen Ressorts einzuteilen. Das war ein bisschen wie Lotto spielen. (lacht)

 

Glückssache?
Flurin: Das Ressort „Sponsoring und Events“ war der Renner. Alle wollten zuerst dahin. Bis klar war, um was es dort wirklich geht. Also sprich: Auch mal Leute auf der Strasse anzusprechen oder versuchen Gelder zu akquirieren – nicht nur um den Event an und für sich.

Kevin: Wir haben viel diskutiert, verhandelt und sind auch mal Kompromisse eingegangen.

Tanja: Schlussendlich waren alle glücklich mit ihrer Aufgabenwahl.

 

Was waren eure persönlichen Highlights Eurer bisherigen Tätigkeit im Jugend-OK?
Tanja: Ganz klar, der Migros Grand Prix. Es war sehr lehrreich, einmal selber hautnah mitzuerleben, was einem in der OK-Leitung alles erwartet. Und woran man alles denken muss. Wahnsinn!

Flurin: Ich fand die Zusammenarbeit mit Swiss-Ski spannend. Und die verschiedenen Kanäle, über die man heute eine Story verbreiten kann: Social Media, Internet oder Print-Medien. Darüber möchte ich künftig noch mehr erfahren.

Kevin: Während dem Migros Grand Prix hatte ich sehr viel zu tun: Abfall wegräumen, Beschilderungen aufstellen oder den Verkehr auf dem Parkplatz Salastrains regeln. Hat alles wunderbar geklappt. Darauf bin ich stolz, denn ich hatte keinen Stellvertreter in der Logistik.

 

Was habt ihr bisher vor allem gelernt?
Tanja: Letzten Sommer habe ich in Samedan die Tourismusfachschule abgeschlossen. Jetzt kann ich die gelernte Theorie endlich in der Praxis umzusetzen. Sozusagen Operation am lebenden Objekt – viel interessanter als wie im Studium einfach eine Fallstudie zu lösen.

Flurin: Mich faszinieren die neuen Medien und wie man damit Leute erreichen kann. Aber auch die Sitzungen waren für mich sehr lehrreich.

Kevin: Ich gehe noch zur Schule. Die Sitzungen und die Arbeit in einem OK waren für mich komplettes Neuland.

Tanja: Kevin hat einen grossen Schritt nach vorne gemacht. Aber nicht nur er: Bei einigen Jugend-OK-Mitgliedern spürte ich anfangs eine gewisse Unsicherheit. Ich hab dann jeweils nachgefragt, ob alles klar sei und ob sie die Aufgabe alleine schaffen. Schlussendlich haben wir alles irgendwie hingekriegt. Teamwork eben.

 

Erhält ihr einen Lohn für eure Arbeit?
Tanja: Das Jugend-OK basiert auf freiwilliger Basis – der eigentliche Lohn für uns ist die Erfahrung, die wir hier sammeln dürfenDas Jugend-OK basiert auf freiwilliger Basis – aber das wussten wir im Vorfeld. Spesen dürfen wir abrechnen. Der eigentliche Lohn für uns ist die Erfahrung, die wir hier sammeln dürfen.

Flurin: Finde ich auch. Klar, wenn man jung ist, lockt immer ein finanzieller Anreiz. Mich motiviert aber vor allem die tolle Zusammenarbeit im Team.

Kevin: Ich bin dabei, weil ich gerne mitanpacke. Die Vorfreude auf die kommende Ski-WM treibt mich an. Und dabei lerne ich erst noch was für das Leben. Das finde ich super.

 

Gab es schon mal Zoff untereinander?
Tanja: Nein. Beim Migros Grand Prix gab es schon auch Situationen, bei denen sich manche gefragt haben: „Was mach ich eigentlich hier? Ich krieg ja nicht mal was für meine Arbeit.“ Aber als der Event erfolgreich über die Bühne ging, waren alle glücklich und stolz.

Flurin: Stimmt. Die positiven Resonanzen haben uns angespornt.

Kevin: Als Dankeschön für unseren Einsatz beim Migros Grand Prix machten wir alle gemeinsam einen Ausflug nach Interlaken in die Mystery Rooms. Dort werden zwei Gruppen in einen Raum eingeschlossen. Zusammen muss man dann unter Zeitdruck den Weg nach draussen finden. Das hat uns alle noch mehr zusammengeschweisst als Team.

 

Könnt ihr euch vorstellen, in Zukunft fünf Tage die Woche 8.5 Stunden ins Büro zu gehen?
Flurin: Eher Büro als draussen. Zudem bin ich handwerklich nicht so begabt. (schmunzelt)

Kevin: Ich gehe jetzt nach zwei Wochen in die Schule, starte im August meine Lehre als Hochbauzeichner. Somit werde ich die nächsten paar Jahre in einem Büro verbringen. Ich arbeite  zwar schon auch mal gerne draussen, bin aber eher der „Büro-Typ“.

Tanja: Ich kenne es nicht anders – arbeite bereits 8.5 Stunden pro Tag in einem Büro.

 

Was sagen eure Freunde zu eurer Tätigkeit im Jugend-OK?
Flurin: Viele sagen, das passe einfach zu mir. Ich engagiere mich oft in meiner Freizeit für solche Projekte. Klassenkameraden, die selber in Nachwuchskadern Skifahren, finden mein Engagement sehr cool. Sie selber hätten wegen den vielen Trainingsstunden gar keine Zeit dazu.

Kevin: Geht bei mir in dieselbe Richtung. Viele finden es cool. Für die meisten wäre es aber zu aufwändig – sie würden es deshalb nicht machen.

Tanja: Meine Kollegen wissen, dass ich mich in meiner Freizeit für Events in der Umgebung engagiere. Sie hingegen haben lieber mal Feierabend und geniessen das süsse Nichtstun.

 

Fühlt ihr euch vom eigentlichen WM-OK ernst genommen?
Kevin: Ja, mittlerweile schon. (lachen ertönt in der Runde)

Flurin: Es hat sich entwickelt über die Zeit. Am Anfang war es schwierig: Ich kannte die Leute nicht, es war eine ungewohnte Situation. Der Migros Grand Prix war ein Wendepunkt. Wir haben etwas erfolgreich auf die Beine gestellt und das Ski-WM-OK hat gesehen, dass es sich auf uns verlassen kann.

Tanja: Für mich ist es eine etwas andere Situation. Ich arbeite mittlerweile selber im Ski-WM-OK seit April und sehe dadurch auch die andere Seite. Ich finde, dass wir ernst genommen werden.

 

Auf was freut ihr euch hinsichtlich der Ski-WM am meisten?
Flurin: Ich freu mich auf viele Besucher in St. Moritz. Einen kleinen Vorgeschmack haben die Abschlussrennen vom letzten März geboten. Da ist St. Moriz richtig aufgeblüht: Viele Leute am Abend in den Bars, tagsüber auf der Piste und eine belebte Fussgängerzone. Gerne mehr davon!

Kevin: Auf die Eröffnungszeremonie. Und die einmalige WM-Stimmung in St. Moritz.

Tanja: Ich freue mich ebenfalls auf die WM-Stimmung und natürlich auf die Rennen. Hoffentlich zeigt sich das Engadin dann von seiner besten Wetter-Seite.

 

Habt ihr persönliche Skihelden?
Flurin: Didier Cuche ist sehr sympathisch. Er fährt zwar nicht mehr aktiv. Ansonsten  Lara Gut und Tina Weirather.

Kevin: Seit meiner Tätigkeit im Jugend-OK habe ich mich erst richtig mit dem Skizirkus befasst. Aber bis jetzt habe ich noch keinen persönlichen Skihelden. Vielleicht ändert sich das nach der Ski-WM. (lacht)

Tanja: Mich begeistert Lindsay Vonn mit ihrem Durchhaltewillen. Was sie nach ihrer langen Verletzungspause alles auf sich genommen hat, um wieder zurück an die Weltspitze zu gelangen. Einfach bewundernswert!

 

Ist Skifahren unter Jugendlichen überhaupt noch in? Fährt ihr selbst Ski?
Tanja: Ich fahre sehr gerne Ski. Kurz: Draussen an der frischen Luft sein und Energie tanken – herrlich!

Flurin: Da schliess ich mich an. Früher war ich damit eher ein Aussenseiter bei meinen Kollegen, da alle mit dem Snowboard unterwegs waren. Heute haben praktisch alle wieder auf Ski gewechselt.

Kevin: Ja, gerne und viel.

 

Was möchtet ihr mal werden, wenn ihr „gross“ seid?
Kevin: Zuerst einmal meine Lehre als Hochbauzeichner absolvieren, dann schau ich weiter. Schritt für Schritt.

Flurin: Nach der Rekrutenschule möchte ich die Hotelfachschule in Lausanne absolvieren. Dann im Ausland Erfahrung sammeln.

Tanja: Ich habe meine beruflichen Weichen mit dem Abschluss der Tourismusfachschule bereits gestellt. Später möchte ich in der Event-Branche Fuss fassen.

 

Habt ihr ein konkretes Ziel, das ihr erreichen möchtet?
Flurin: Ich interessiere mich sehr für Politik. Einmal Nationalrat sein – das ist ein Traum von mir.

Tanja: Eine führende Position innerhalb eines Event-OKs reizt mich sehr. Dabei muss es nicht unbedingt was mit Skifahren sein: Die Beach Volleyball Tour, die jeweils in Gstaad Halt macht, finde ich sehr spannend.

Kevin: Ich möchte mich später gerne für die Region engagieren – so wie jetzt mit meiner Tätigkeit im Jugend-OK.

 

Möchtet ihr auch in Zukunft im Engadin bleiben?
Flurin: Schwer zu sagen. Meine Familie ist in der ganzen Schweiz und im Ausland verteilt. Ich bin im Tessin geboren, dann nach Maloja gezogen und für das Studium geht es weiter nach Lausanne. Vielleicht zieht es mich dann später wieder ins Engadin – wir werden sehen.

Kevin: Ich möchte im Engadin bleiben.

Tanja: Ich gehe ab und zu gern mal weg vom Engadin. Mittlerweile habe ich es aber aufgegeben, Pläne zu schmieden. (lacht) Das letzte Mal, als ich ins Unterland ziehen wollte, bekam ich ein Job-Angebot für die Ski-WM und bin dann doch hier geblieben.

 

Ein Tag König von St. Moritz. Was würdet ihr verändern?
Tanja: Ich würde schauen, dass der Zusammenhalt untereinander wieder stärker wird. Heute kochen viele ihr eigenes Süppchen und sind neidisch auf den Erfolg anderer. Dabei könnte man zusammen oft mehr erreichen als allein.

Flurin: St. Moritz soll sich wieder ein bisschen mehr öffnen. Es steht nicht nur für Superreiche. Ich vermisse ein bisschen das normale Dorfleben und eine belebte Fussgängerzone.

Kevin: Finde ich auch – vor allem in der Nebensaison. Ich würde vermehrt Anlässe und Dorffeste durchführen für Leute, die das ganze Jahr in St. Moritz wohnen.

 

Von Franz Thomas Balmer und Fabrizio D’Aloisio, St. Moritz

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