Vom Arbeiten mit dem Bügeleisen für die Königsdisziplin
Für den Rennfahrer oder die Rennfahrerin sowie für den Servicemann steht dasselbe im Zentrum: „Wir wollen Rennen gewinnen“. Bruno Inniger macht seit 24 Jahren die Ski von Topstars und Nachwuchsathleten schnell.
Edelfeile“ oder „Wunderwachser“ – dieser Termini bedient sich der Skisport-Journalist, um besonders erfolgreichen Serviceleuten den niedergeschriebenen Ritterschlag zu verleihen. Auch wenn Bruno Inniger das Rampenlicht und die mediale Aufmerksamkeit nicht sucht und sich abseits in seinem Wachskeller oder -zelt wohl fühlt, so sagt er: „Diese Bezeichnungen sind ja nicht negativ sondern ein Lob und letztlich eine Wertschätzung meiner Arbeit. Aber jeder Servicemann macht einen guten Job und gibt sein Bestes. Der wichtigste Faktor ist und bleibt der Athlet, der im Zentrum meiner Arbeit und im Skischuh drin steckt“.
Inniger, der gebürtige Adelbodner und gelernte Maurer, steht mitten in der 24. Saison als Servicemann und ist als solcher aktuell (auch) für die schnellen Ski vor Olympiasieger Sandro Viletta zuständig. Zuvor war er unter anderem für das Material von Urs Kälin, Paul Accola, Marco Büchel, Beat Feuz oder Luca Aerni verantwortlich. Feuz zum Beispiel habe nie gewusst, welches Material er beim Rennen an den Füssen habe. „Beat hat diese Entscheidung komplett mir überlassen und mir in Materialfragen vollkommen vertraut. Es gibt aber auch Fahrer, die ganz klare Vorstellungen haben und stark mitbestimmen. Als Servicemann musst du mit beiden Arten der Zusammenarbeit konstruktiv umgehen können. Die zentralen Punkte dabei sind gegenseitiges Vertrauen und Ehrlichkeit. Ohne wird es nicht funktionieren.“ Und gemeinsam mit Inniger funktioniert es bestens. Als im Dezember 2011 nach dem Super-G von Beaver Creak mit Sieger Viletta und dem drittplatzierten Beat Feuz zwei seiner Schützlinge gemeinsam auf dem Podest stehen durften, sprach der Berner Oberländer von „einem Lottosechser“.
Wie für den Rennfahrer steht auch für den Mann im Hintergrund der Erfolg im Mittelpunkt. „Egal, ob du als Servicemann für einen Top-Star im Weltcup oder für einen Nachwuchsmann bei FIS-Rennen im Einsatz stehst: du gibst für beide einhundert Prozent, denn du willst Rennen gewinnen“, hebt Inniger den Berufsethos seiner Zunft hervor. Über die Tatsache, dass einige Serviceleute im Weltcup auf Handschlag-Basis am vom Athleten oder von der Athletin gewonnenen Preisgeld partizipieren könne und wolle er sich nicht äussern, so Inniger. „Viel wichtiger als solche Dinge ist die gute Zusammenarbeit zwischen Athlet und Servicemann“, sagt Inniger, der als Pool-Servicemann bei Swiss Ski angestellt ist. Je nach Rennort ist er dann für mehrere Fahrer und für das Material von mehreren Skimarken zuständig. „Die Arbeit, egal ob HEAD, Rossignol oder Salomon, bleibt grundsätzlich die gleiche. Die heutigen Ski sind ungeachtet der Marke Hightech-Geräte und benötigen gute Pflege. Die grössten Unterschiede gibt es bei der individuell auf den Fahrer abgestimmten Einstellung der Bindung.“ Und auch zwischen Slalom-Ski und Abfahrts-Latten gibt es in der Präparierung erhebliche Unterschiede. „Abfahrt und Super-G sind für den Servicemann die intensivsten Disziplinen. Der Ski für die Abfahrt wird drei bis vier Mal gewachst, beim Slalom-Ski reicht eine Wachsung. Auch für uns Serviceleute ist die Abfahrt die Königsdisziplin.“ Und das meistbenötigte Utensil ist das Bügeleisen.
Renntag. Nach dem Frühstück erwartet Servicemann Inniger im Skiraum auf erste Informationen. Die Trainer sammeln bei der Jury-Besichtigung Wissenswertes zur Schnee- und Pistenbeschaffenheit und leiten die Angaben an die Serviceleute weiter. „Je nach Information entscheidet sich der Servicemann dann für das vom Athlet zu fahrende Skimodell und/oder verändert an der Feinabstimmung noch etwas.“ Zu diesem Zeitpunkt wolle der Rennfahrer, nach dem dieser am Vortag noch intensiv in die Entscheidungsfindung eingebunden worden sei, wenig bis nichts mehr über die Materialwahl wissen, sagt Inniger, der in früheren Jahren auf regionaler Ebene selbst Rennen bestritten hat. „Ich treffe die letzte Entscheidung und ich bringe den Ski zum Start. Danach ist der Fahrer dafür zuständig, ob wir uns gemeinsam freuen dürfen oder ob wir uns zusammen ärgern müssen.“
Freuen durften sich Bruno Inniger und Sandro Viletta über den Olympiasieg 2014. Verletzungen haben den Bündner gebremst und – mit Ausnahme zweier Weltcup-Rennen im Dezember 2016 – während zwei Jahren von den Rennpisten fern gehalten. Heute (und einen Markenwechsel später) ist er wieder da und der 5. Platz im Europacup-Super-G von Wengen am Dreikönigstag hat es gezeigt: die Formkurve stimmt. Mit viel Arbeit und Glück reicht es vielleicht noch für die Olympischen Spiele in Südkorea. Bruno Inniger hofft für und mit seinem Fahrer. Er ist als Servicemann einer der wichtigen Faktoren auf Vilettas Weg zurück. Inniger rückt sich in den Hintergrund und wiederholt: „Der wichtigste Faktor ist der Athlet, der im Skischuh drin steckt.“ Und in dessen Dienst stellt der 50 Jahre alte Berner Oberländer seine Erfahrung, sein Können und seine Arbeitskraft. Winter für Winter. 2018/19 wird er es zum 25. Mal tun.
Peter Gerber Plech