Die Stimme des Flachländers aus den Bergen

Die TV-Bilder bringen Spannung und Emotionen in die gute Stube. Der Kommentar dazu soll die Bilder unterstützen, verstärken und sie nicht überdecken. Stefan Hofmänner praktiziert das bei SRF, dazu erzählt er Geschichten und liefert Hintergrundinformationen direkt vom Berg.

Stefan Hofmänner hat Volleyball gespielt, geturnt, war Leichtathlet und Sportlehrer. Seit seiner Kindheit aber ist der heutige Sportjournalist und -kommentator von Schweizer Radio und Fernsehen vom Schnee fasziniert. „Schnee ist magisch. Mit dieser Substanz lässt sich bauen – jüngst zusammen mit meiner Tochter eine kindshohe Murmeltierfigur – er fällt spielerisch leicht vom Himmel und liegt dann glitzernd da, man kann drauf rutschen oder eben Skifahren – einfach genial“, schwärmt der 51-Jährige vom natürlichen Weiss. Die Begeisterung für den Schnee lebt in Hofmänners Arbeit. Wobei Arbeit ein zu banales Wort ist, denn das Kommentieren von Sportveranstaltungen ist für den Berner mehr Leidenschaft denn Arbeit. Obwohl er als Flachländer weit weg von einem alpinen Skigebiet aufgewachsen ist, hatte Hofmänner in Kindertagen jede Gelegenheit wahrgenommen, um auf Skiern die dünne Schneedecke an den Hängen der näheren Umgebung zu befahren. Die Faszination für jenen Sport, den er seit gut 20 Jahren den Schweizern via TV-Bildschirm näher bringt, hat über die Jahre nicht nachgelassen. „Heute werden Sportler dank Schlagzeilen und grossen Buchstaben zu Helden hochstilisiert. Nicht weil sie wirklich Helden sind, sondern primär damit der Artikel gelesen wird. Ich finde: Skirennfahrerinnen und -rennfahrer sind Helden, weil sie sich mit vielen Elementen auseinandersetzen. Eine Heldin oder ein Held kann nach meiner Empfindung nur jemand sein, der sich einer Gefahr stellt. Skirennfahrerinnen und -rennfahrer tun genau das. Sie stellen sich der Natur, der Kälte, dem Gelände, der Geschwindigkeit – das ist faszinierend.“

Der ausgebildete Lehrer bezeichnet sich als „Märchenonkel und Geschichtenerzähler“. Er wählt seine Worte mit Bedacht, er unterhält und informiert, zeichnet für den Zuhörer nachvollziehbare Bilder und hat – für die Arbeit am Mikrofon unerlässlich – eine angenehme Stimme. Kurz: Stefan Hofmänner ist authentisch und glaubwürdig. Dass ihn seine Berufung Sportjournalist erst im Alter von rund 30 Jahren als Quereinsteiger gefunden hat macht die Persönlichkeit des TV-Kommentators aus. Hofmänner, der in den 1990er-Jahren unter anderem als Sporttherapeut mit alkoholkranken Menschen gearbeitet hat, brachte Lebenserfahrung und andere Sichtweisen in die Arbeit beim Fernsehen mit ein. Als ehemaliger Gleitschirminstruktor auch aus der Vogelperspektive. Erste Gehversuche als Sportjournalist machte Stefan Hofmänner bei der Tageszeitung „Der Bund“. Und als er vom Schweizer Fernsehen (heute SRF) zu einem Kandidatentest nach Zürich eingeladen wurde war der entscheidende Schritt die berufliche Veränderung getan. Da der TV-Sender die tägliche Sendung „Sport aktuell“ lancieren wollte, brauchte das Schweizer Fernsehen Personal. „Sechs neue Mitarbeiter wurden gesucht“, erinnert sich Hofmänner und er weiss, dass dieser glückliche Umstand mitbestimmend für seine Zukunft gewesen ist. Unter den 40 getesteten Kandidaten gehörte Hofmänner – gemeinsam mit Jann Billeter oder Sascha Rufer – zu den Top-6. Und weil zeitnah auch ein Nachfolger von Hans Jucker als Live-Kommentator von Skirennen gesucht wurde, landete der Flachländer ab 1999 im Wintersport aus den Bergen. „Auch das eine glückliche Fügung, denn den Skirennsport hatte ich in den Medien seit jeher ganz intensiv verfolgt.“

Längst ist Hofmänner eine feste Grösse innerhalb von SRF Sport. Bei Events aus den Bereichen Ski alpin, Schwingen, Kunstturnen, Leichtathletik oder Beachvolleyball ist seine Stimme zu hören. Am Bildschirm zu sehen ist er selten – und das ist so gewollt. „Live-Events wie die Rennen in Wengen zu kommentieren ist für mich persönlich die spannendere Aufgabe als im Studio eine Sendung zu moderieren. Ich liebe es, wenn ich vor Ort den Sport mit all seinen Emotionen und Facetten erleben kann.“ Dass hunderttausende Menschen zuhören wenn er etwas sagt, beeinträchtige seine Arbeit nicht, sagt Hofmänner. „Sei Beginn meiner Arbeit beim Fernsehen war während der Live-Arbeit der Zuschauer für mich ein virtuelles Geschöpf. Das kann auch eine Gefahr sein. Ich rufe mir immer wieder in Erinnerung, dass viele Menschen zuhören und ich wie ein Sportler mental für den Einsatz bereit sein muss. Zum Glück habe ich als Lehrer Erfahrungen gesammelt was es braucht, damit eine Menschengruppe die Aufmerksamkeit nicht verliert.“

Hofmänner ist nahe an den Athletinnen und Athleten dran, verliert aber die journalistische Distanz nicht. Mit Dominique Gisin verbindet ihn eine besonders lange Geschichte, da er die spätere Abfahrtsolympiasiegerin als Nachwuchsathletin kennen gelernt und danach journalistisch durch eine Karriere mit vielen (Verletzungs-)Tiefs bis zum grossen Triumph hatte begleiten dürfen. „Mit der Zeit entsteht zwischen Athlet und Journalist ein Vertrauensverhältnis und der Journalist erfährt Geschichten oder bekommt Hintergrundinfos, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Das gibt sicher eine gewisse Nähe, das stimmt. Aber für mich endet diese Nähe auch genau da wieder – ich war noch zu keiner Hochzeit einer Athletin eingeladen. Und das ist auch gut so. Ich räume dem Respekt die grössere Wichtigkeit ein.“ Letztlich aber ist die relative Nähe zu den Sportlerinnen und Sportlern zentral für Hofmänners Schaffen. Er braucht Informationen von Trainern und Athleten – zum Beispiel was Vorbereitung oder Materialwahl betrifft – vor dem Rennen. „Nur so kann ich den Zuschauerinnen und Zuschauern mit dem Kommentar einen Mehrwert bieten. Bekomme ich die Infos wie der Zeitungsjournalist nach dem Rennen, ist es zu spät.“

Vom 12. Bis 14. Januar kommentiert Stefan Hofmänner die Lauberhorn-Rennen aus Wengen. Auf die Frage, wie viele Stunden er sich auf die Einsätze am Mikrofon vorbereite, lächelt der Berner nur. „Das lässt sich in Stunden nicht eruieren. Ich bereite mich laufend vor, weil ich stets auf dem Laufenden bleiben will und muss. Mindestens 95 Prozent meiner Arbeit finden nicht hinter dem Mikrofon statt.“ Grundlagen wie Statistiken müssen erarbeitet werden, Detailinfos zu Fahrern müssen aktuell und dem Journalisten präsent sein. Darum erstaunt es nicht dass Stefan Hofmänner sagt: „Während des Winters habe ich gedanklich eigentlich nie frei.“ Schon gar nicht dann, wenn die spektakulären Rennen in Wengen anstehen.

Peter Gerber Plech